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Forschung und Entwicklung

Der Bereich „Research & Development“ spielt für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Lenzing Gruppe eine zentrale Rolle. Ende 2022 waren in diesem Bereich 218 Mitarbeiter:innen beschäftigt (2021: 222). Ein Großteil der Entwicklungstätigkeit erfolgt allerdings in enger Zusammenarbeit mit verschiedenen Bereichen des Unternehmens sowie mit externen Partnern. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung, berechnet nach Frascati (abzüglich erhaltener Förderungen), beliefen sich auf EUR 34,8 Mio. (nach EUR 31,6 Mio. 2021). Per Ende 2022 verfügte Lenzing über 1.574 Patente und Patentanmeldungen (aus 182 Patentfamilien) in 53 Ländern.

Schwerpunkte 2022

Nachhaltigkeit mit besonderem Fokus auf Recycling und Kreislaufwirtschaft ist bei Lenzing nicht nur ein Kernwert in der Strategie, sondern auch Leitprinzip für Innovation und Produktentwicklung. So enthalten beinahe alle Entwicklungsprojekte wesentliche Aspekte in Bezug auf die ökologische Nachhaltigkeit. Der Bereich R&D arbeitet sowohl in der Produkt- als auch in der Prozessentwicklung kontinuierlich an Lösungen, die das ehrgeizige Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 weiter unterstützen. Dazu gehören unter anderem Projekte zur Schließung von Produktionskreisläufen und der Reduktion von Abwässern sowie der Steigerung der Energieeffizienz und der Reduktion von CO2-Emissionen.

Das Thema Textilrecycling und die Transformation des textilen Geschäftsmodells von einem linearen zu einem Modell der Kreislaufwirtschaft war auch 2022 ein Schwerpunkt der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Lenzing. Mit dem schwedischen Zellstoffproduzenten Södra wurde auch im Berichtsjahr intensiv am gemeinsam Ziel gearbeitet, einen Prozess für das Recycling von Alttextilien zu entwickeln und eine Pilotanlage zu errichten. Gleichzeitig wurden auch die Entwicklungen der REFIBRA™ und Eco Cycle Technologien weiter vorangetrieben. Die Aktivitäten der Lenzing im Bereich Recycling und Kreislaufwirtschaft wurden 2022 mit dem renommierten Umweltpreis der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) in der Kategorie „World without Waste“ ausgezeichnet.

Neben dem Recycling von Alttextilien beschäftigt sich Lenzing auch verstärkt mit der Evaluierung weiterer Cellulosequellen als Rohstoffalternative – darunter Reststoffe aus dem Agrar- und Lebensmittelbereich. Nach der Präsentation einer TENCEL™ Limited Edition gemeinsam mit Orange Fiber 2021, ließ Lenzing im Berichtsjahr eine TENCEL™ Limited Edition mit Hanf als alternative Zellstoffquelle folgen. Hanf gilt als äußerst nachhaltige Faser und als Alternative zu vielen klassischen Textilfasern. Im umweltverträglichen Lyocell-Herstellungsprozess der Lenzing wurde damit erstmals auch Zellstoff auf Hanfbasis zu Lyocellfasern verarbeitet. Diese waren Grundlage für das weltweit erste biologisch abbaubare Stretch-Denim-Gewebe von Candiani Denim.

Lenzing erweiterte im Berichtsjahr auch ihr Angebot an nachhaltigen Spezialfasern für die Textil- und Vliesstoffbranchen. Der Einsatz von hydrophoben Fasern im Bereich der Hygieneprodukte ermöglichte die Herstellung von biologisch abbaubaren Prototypen für Hygieneanwendungen. Im Bereich der Wischtücher konnte der Trend hin zu 100 Prozent cellulosischen Produkten auf mehreren Ebenen unterstützt werden.

Die neuen matten TENCEL™ Lyocellfasern wurden speziell dafür entwickelt, um Licht zu streuen und den Glanz bei Denim-Anwendungen zu verringern. Durch die Kombination von Funktionalität und Ästhetik erhöhen matte Lyocellfasern die Vielseitigkeit von Denim-Designs und reduzieren gleichzeitig den ökologischen Fußabdruck der entstehenden Stoffe und Kleidungsstücke. Hergestellt im ressourcenschonenden Lyocellprozess bieten die neuen Fasern alle Komfortvorteile von klassischen TENCEL™ Lyocellfasern und verleihen dunklen, indigogefärbten, Stoffen ein tiefes und glanzreduziertes Aussehen.

TENCEL™ Modalfasern mit Indigo Color Technologie etablierten sich im Berichtsjahr weiter als umweltschonende Faseralternative im Denim-Segment. Dafür wurden sie auf der ITMF Jahreskonferenz in Davos (Schweiz) mit dem Preis für Nachhaltigkeit und Innovation ausgezeichnet. Bei der neuen Technologie wird das Indigo-Pigment in einem einstufigen Spinnfärbeverfahren direkt in die TENCEL™ Modalfasern eingearbeitet. Dieses Verfahren bietet eine bessere Farbechtheit als die herkömmliche Indigofärbung. Im Vergleich zu herkömmlichen Indigo-Garnen spart die Produktion von TENCEL™ Modalfasern mit Indigo Color Technologie ca. 99 Prozent Strom und Wasser, 80 Prozent Chemikalien und 100 Prozent Wärmeenergie, wodurch der ökologische Fußabdruck von Denim-Produkten deutlich reduziert wird.

Die beiden Projekte zur Vorwärtsintegration des Lyocellverfahrens, TENCEL™ Luxe und LENZING™ Web Technology, kombinieren die Prozess- und Produktentwicklung der Lenzing. Beide Projekte wurden im Berichtsjahr erfolgreich fortgeführt. Für die Entwicklung und die Produktion erster kommerzieller Volumina stehen beim Cellulose-Filament der Marke TENCEL™ Luxe zwei Pilotanlagen zur Verfügung. 2022 wurde das Verfahren weiterentwickelt, und Applikationsfelder wurden erschlossen. Diese reichen von Haute-Couture über Denim bis zu Active Wear, wobei etliche dieser gemeinsam mit Partnern durchgeführten Entwicklungen auch ausgezeichnet wurden, etwa mit dem ISPO Award 2022 für neu entwickelte elastanfreie Stretchfasern auf Basis von TENCEL™ Luxe Filamenten.

Die LENZING™ Web Technology stellt cellulosische Vliesstoffe direkt aus der Spinnmasse her. Diese Technologie wurde nun erfolgreich mit dem Zellstoff-Nasslegeverfahren verbunden, wodurch Vliesstoffe mit bis zu 60 Prozent Recyclinggehalt bei gleichzeitiger Reduktion des spezifischen Energiebedarfs hergestellt werden können. Die LENZING™ Web Technology wird im Markt für Hygiene- und Wischtuchanwendungen sowie in technischen Anwendungen eingesetzt.

Know-How-Transfer und Cross-Learning innerhalb der Lenzing Gruppe sind wesentliche Bestandteile der Tätigkeit der R&D Labor-und Pilotanlagenteams, die etwa auch bei der Inbetriebnahme der beiden Schlüsselprojekte in Thailand und in Brasilien eine zentrale Rolle spielten. Die In-House-Entwicklung neuer bzw. genauerer analytischer Methoden, die Entwicklung neuer Messverfahren und die Weitergabe dieser innerhalb der Produktionsbereiche sind ebenfalls wesentliche Aufgaben der R&D.

Innovationszentren und Kooperationen

Kooperationen sind ein wesentlicher Teil der R&D Aktivitäten, sowohl innerhalb als außerhalb der Lenzing Gruppe. Es gibt einen intensiven Austausch mit den Applikations- und Innovationszentren in Hongkong und Purwakarta. Gemeinsam mit Kunden werden vor Ort neue Anwendungen für Textilfasern entwickelt. Lenzing intensiviert dadurch die globale Zusammenarbeit mit Partnern entlang der Werschöpfungskette. Im Vliesstoff-Entwicklungszentrum an der Hochschule Hof (Deutschland) werden neue innovative Anwendungen für nachhaltig erzeugte Vliesstoff-Fasern entwickelt.

Um Strukturen in der Textil- und Bekleidungsindustrie aufzubauen und damit eine gesamtheitliche Lösung für die Kreislaufwirtschaft zu erarbeiten, setzt Lenzing über die Kooperation mit Södra hinaus noch weitere Aktivitäten. Lenzing ist Partner im Horizon Europe Projekt CISUTAC (Circular and Sustainable Textile and Clothing) als auch im österreichischen Projekt EnzATex, die sich beide mit der Kreislaufführung von Textilien beschäftigen.

Lenzing treibt auch im Bereich Digitalisierung Entwicklungen im Rahmen von kooperativen Projekten voran. 2022 startete das FFG-geförderte Projekt REWAI (Reducing Energy and Waste using AI) mit Pro2Future, Universität Linz und TU Graz als Partnern. Ziel ist die Entwicklung einer Methode zur Vorhersage der Faserqualität auf Basis vorhandener Sensordaten (über die gesamte Produktion). Damit sollen notwendige Prozessänderungen frühzeitig erkannt und Minderqualitäten vermieden werden.

Neben Kooperationen zu konkreten Fragestellungen setzt Lenzing auch Aktivitäten, die zu einer vermehrten Bewusstseinsbildung beitragen sollen und speziell den Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft mehr Sichtbarkeit verschaffen. 2022 wurden erstmals junge Forscher:innen mit dem Lenzing Young Scientist Award für exzellente Forschungsarbeiten in den Kategorien Fashion und Kreislaufwirtschaft, Textilrecycling sowie innovative Nutzung biobasierter Fasern von der Lenzing Gruppe ausgezeichnet. Ziel war es, Studierende zu fördern und eine Plattform zur Vernetzung mit der Textilindustrie zu schaffen. Bachelor- und Masterstudierende konnten sich mit ihren Arbeiten einer Jury aus namhaften Expert:innen der Industrie stellen. Die drei Gewinnerprojekte wurden bei der 61. Global Fiber Conference in Dornbirn mit einem Preisgeld von je EUR 5.000 prämiert.

Die Mitgliedschaft und aktive Mitarbeit in diversen Initiativen und Netzwerken dient einerseits dazu, Themen, vor allem im Bereich Nachhaltigkeit, breiter zu platzieren und gemeinsam voranzutreiben, andererseits ergeben sich daraus oft konkrete Projekte wie EPNOE (European Polysaccharide Network of Excellence) und RCI (Renewable Carbon Initiative), von denen Lenzing jeweils Gründungsmitglied ist.

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