An die 78. ordentliche Hauptversammlung
Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
die COVID-19-Pandemie hält uns nun schon das zweite Jahr in Atem und Lenzing hat sich bisher in dieser außergewöhnlichen Situation sehr gut bewährt. Dieses vermeintlich kleine Virus hat uns einerseits unsere große Verwundbarkeit vor Augen geführt und uns andererseits als Gemeinschaft wieder näher zusammengebracht. Wir waren somit in der Lage, zusammenzuhalten, unsere Kräfte zu bündeln und unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen. Das Unternehmen hat im abgelaufenen Jahr wieder alles unternommen, um das Leben und die Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen. Umso mehr bedauern wir die Verluste in unserer Belegschaft und bei unseren Projektpartnern, und wir trauern auch an dieser Stelle mit ihren Hinterbliebenen.
Das Jahr 2021 war für die Lenzing Aktiengesellschaft ein sehr bewegtes Jahr mit einigen Höhen und Tiefen. Wir haben uns Ende letztes Jahres auf ein weiteres Pandemie-Krisenjahr mit der Begebung einer Hybridanleihe gut vorbereitet und haben trotz aller Widrigkeiten an unseren Großprojekten in Thailand und Brasilien festgehalten und damit die langfristige Orientierung der Lenzing untermauert. Wir haben mit beiden Projekten große Fortschritte erzielt und blicken voller Zuversicht auf deren erfolgreiche Inbetriebnahme. Nach dem historisch niedrigen Preisniveau im Vorjahr erholten sich die Viscosepreise bereits im ersten Quartal 2021 deutlich. Ein Nachfrageschub auf den globalen Fasermärkten begünstigte die Situation und verhalf der Lenzing früher als erwartet und trotz weiterhin spürbarer Auswirkungen der pandemischen Situation zu einem Aufschwung. Begleitet wurde die Markterholung leider von einer höchst angespannten, globalen Logistiksituation, sodass nicht nur extreme Lieferengpässe, sondern darüber hinaus auch drastische Kostenerhöhungen die gesamte textile Wertschöpfungskette herausforderte. Die ab Mitte des Jahres einsetzenden signifikanten Kostenerhöhungen für Energie und energieintensive Rohstoffe kamen dann belastend hinzu. Die konsequente Ausrichtung auf die bereits 2020 initiierten Effizienzsteigerungs- und Kostenreduktionsprogramme konnten Einschnitte in die Lieferfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und letztlich auch Ertragskraft verhindern.
Einen großen Erfolg konnte Lenzing im Rahmen ihrer langfristig verankerten Nachhaltigkeitsstrategie erzielen. Als eines von nur 14 Unternehmen weltweit erreichte Lenzing eine „Triple A“-Bewertung durch die gemeinnützig orientierte Umweltorganisation CDP. Diese Auszeichnung macht uns alle stolz und bestätigt die strategische Ausrichtung des Unternehmens, die Ressourcenschonung, die Kreislaufwirtschaft und die Innovation als wichtigste Eckpfeiler der angestrebten CO2-Neutralität zu positionieren.
Neben der Begleitung der Vorstände zu diesen vielfältigen Themen, lag ein großer Aufgabenbereich des Aufsichtsrats auch in der Begleitung der strategischen Großprojekte in Thailand und Brasilien. COVID-19 traf diese Länder im abgelaufenen Jahr 2021 in besonderem Ausmaß. Bewährt hat sich dabei insbesondere unsere Partnerwahl und das exzellente Projektmanagement sowie die Auswahl von Führungskräften, Spezialisten und Kontraktoren, sodass diese Großprojekte trotz der erschwerten Pandemielage bislang sehr erfolgreich umgesetzt wurden. Beide Projekte befinden sich weiterhin innerhalb des Budget- und Zeitplans und stellen die beiden Eckpfeiler „Rückwärtsintegration“ und „Spezialisierung des Produktportfolios“ der sCore TEN Strategie dar.
Eine hohe Priorität im Aufsichtsrat nahm ebenfalls die lückenlose Aufklärung der Causa Hygiene Austria ein. Die exzellente Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat und die Einbindung externer Experten führte hierbei zu einer zügigen forensischen und rechtlichen Aufarbeitung, die unter anderem auch zur Trennung von dieser Geschäftsaktivität führte.
Bei diesen vielfältigen Aktivitäten hat der Aufsichtsrat seinen nach Gesetz, Satzung und Geschäftsordnung zugewiesenen Verpflichtungen entsprechend die Aufsicht geführt, war in den grundlegenden Entscheidungen frühzeitig involviert und hat den Vorstand beratend begleitet. Der Vorstand wiederum hat den Aufsichtsrat regelmäßig anhand ausführlicher schriftlicher Berichte über die Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage der Lenzing Aktiengesellschaft und der Lenzing Gruppe informiert. Darüber hinaus hat der Vorstand dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates auch außerhalb der Sitzungen regelmäßig über den Geschäftsverlauf, die Lage der Gesellschaft und wesentliche Geschäftsvorfälle Bericht erstattet. Einzelne Bereiche wurden vertiefend in den vom Aufsichtsrat eingerichteten Ausschüssen behandelt, die wiederum dem Gesamtaufsichtsrat über ihre Tätigkeiten berichtet haben. Vor dem Hintergrund der Auswirkungen von COVID-19 wurde im Geschäftsjahr 2021 die Mehrzahl der Sitzungen virtuell per Videokonferenz abgehalten.
Sitzungen des Aufsichtsrates
Der Aufsichtsrat der Lenzing Aktiengesellschaft hat sich im Berichtsjahr in acht Sitzungen vom Vorstand über den Geschäftsverlauf sowie wesentliche Geschäftsfälle und Maßnahmen informieren lassen, die Arbeit des Vorstands beaufsichtigt und den Vorstand bei wesentlichen strategischen Weichenstellungen beratend begleitet. Vor dem Hintergrund der Auswirkungen der anhaltend schwierigen Logistiksituation, bedingt durch den COVID-19-Einfluss in der gesamten Wertschöpfungskette, hat sich der Austausch mit dem Vorstand nochmals intensiviert und es wurden in enger Abstimmung mit dem Vorstand kontinuierlich Schritte zur Mitigation der COVID-19-Risiken auf das Geschäft der Lenzing Aktiengesellschaft umgesetzt und laufend evaluiert. Zentrale Sitzungsinhalte waren die Entwicklung der Geschäfts- und Preislage, die strategische Weiterentwicklung des Konzerns einschließlich eines Updates der sCore TEN Strategie und deren Ziele, die Nachhaltigkeitsstrategie und ESG-Themen, Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte, Digitalisierung, Personalmaßnahmen, Finanzierungsmaßnahmen sowie die Diskussion und die Genehmigung des Budgets für das Geschäftsjahr 2022. Ein weiterer Schwerpunkt war die Diskussion zur lückenlosen Aufklärung der Causa Hygiene Austria, die in Zusammenarbeit mit externen Experten gemeistert wurde.
Um dem Nachhaltigkeitsstreben der Lenzing das notwendige Gewicht zu verleihen, hat der Aufsichtsrat eine angepasste Vergütungspolitik verabschiedet und von der Hauptversammlung beschließen lassen. Nun können zur Bewertung der langfristigen, erfolgsabhängigen Leistungsboni der Vorstände auch ESG-KPIs berücksichtigt werden. Darüber hinaus hat sich der Aufsichtsrat mit der Effizienz seiner eigenen Arbeitsweise auseinandergesetzt, Maßnahmen diskutiert und eingeleitet.
In der ordentlichen Hauptversammlung am 14. April 2021 wurden Dr. Markus Fürst und Cord Prinzhorn, MBA neu in den Aufsichtsrat gewählt. Dipl.-BW Peter Edelmann und Dr. Stefan Fida wurden in den Aufsichtsrat wiedergewählt. Dr. Veit Sorger schied zum 14. April 2021 aus dem Aufsichtsrat aus. Wir danken Dr. Veit Sorger für mehr als 17 Jahre vertrauensvolle und konstruktive Begleitung und Wegweisung und wünschen ihm für seinen weiteren Lebensweg nur das Beste.
Dr. Stefan Doboczky schied nach eigenem Wunsch im beidseitigen Einverständnis mit September 2021 als CEO der Lenzing AG aus. Wir bedanken uns bei Dr. Stefan Doboczky für seine außerordentlichen Leistungen für die Lenzing in den letzten sieben Jahren. Stefan Doboczky hat sich bei der Transformation von Lenzing zu einem globalen Spezialfaser- und Nachhaltigkeitsunternehmen besonders verdient gemacht. Die Nachfolgelösung wird der Aufsichtsrat sehr zeitnah vorstellen.
Ausschusssitzungen
Der vom Aufsichtsrat eingerichtete Vergütungsausschuss hat sich im Berichtsjahr in zwölf Sitzungen schwerpunktmäßig mit der Leistungsbeurteilung und den Zielsetzungen der Vorstandsmitglieder sowie mit weiteren allgemeinen Vergütungsthemen des Vorstandes beschäftigt. Weiters war der Vergütungsausschuss mit der Erarbeitung der Vergütungspolitik der Lenzing Aktiengesellschaft befasst. Der eingerichtete Nominierungsausschuss hat im Berichtsjahr fünfmal getagt. In den Sitzungen wurden vor allem Personalentwicklungsmaßnahmen und Fragen der Nachfolgeplanung, die Bestellung von Cord Prinzhorn, MBA als Interims-CEO und insbesondere dessen langfristige Nachfolge, behandelt. Der Ausschuss hat über die Wahlvorschläge in den Aufsichtsrat beraten und entsprechende Beschlussvorschläge ausgesprochen. Der Strategieausschuss ist im Berichtsjahr zu keiner Sitzung zusammengetroffen, stattdessen wurden strategierelevante Themen in zwei außerordentlichen Sitzungen im gesamten Aufsichtsratsgremium besprochen. In diesen Sitzungen wurde die Weiterentwicklung der Unternehmensstrategie sCore TEN, der Nachhaltigkeitsstrategie sowie ein Update der daraus abgeleiteten strategischen Stoßrichtungen und Investitionen gemeinsam mit dem Vorstand erörtert und abgestimmt. Zudem wurden die Updates zu einzelnen Produktstrategien, zur Qualitätsstrategie sowie zu kontinuierlichen Effizienzsteigerungs- und Kostensenkungsprogrammen mit dem Vorstand diskutiert. Der Prüfungsausschuss hat im Berichtsjahr viermal getagt. An den Sitzungen nahmen teilweise auch Vertreter des Abschlussprüfers teil, um über ihre Prüfungstätigkeit zu berichten bzw. diese mit dem Prüfungsausschuss abzustimmen. Ebenfalls wurden spezifische Bilanzierungsthemen im Beisein des Wirtschaftsprüfers diskutiert. Neben der Prüfung und Vorbereitung der Feststellung des Jahres- und des Konzernabschlusses hat sich der Prüfungsausschuss mit den zusätzlichen Aufgaben gemäß § 92 Abs. 4a AktG beschäftigt, insbesondere wurden die Funktionsweise und die Wirksamkeit des internen Kontroll-, Revisions- und Risikomanagementsystems kritisch hinterfragt und überwacht. Die Ergebnisse wurden anschließend im gesamten Aufsichtsrat erörtert.
In Zuge der Aufsichtsratsarbeit wurde im Berichtsjahr der Ausschuss Hygiene Austria zur lückenlosen Aufklärung der Causa einberufen. Gesamt fanden zehn Sitzungen im Berichtsjahr statt. In der Aufarbeitung wurden zudem externe Expertenteams aus unterschiedlichen Fachbereichen wie beispielsweise Forensik, Gesellschaftsrecht, Strafrecht sowie Arbeits- und Kapitalmarktrecht hinzugezogen, um eine lückenlose Aufklärung und die Umsetzung der aus den Erkenntnissen abgeleiteten notwendigen Maßnahmen zu gewährleisten. Alle Ergebnisse wurden durch den Ausschuss an den Aufsichtsrat berichtet und ausführlich diskutiert. Der vom Aufsichtsrat eingerichtete Ausschuss für Large CAPEX-Projekte hat im Berichtsjahr fünfmal getagt und sich dabei mit der laufenden Begleitung, Beratung und Kontrolle der beiden Großprojekte zur Errichtung einer Lyocell-Faseranlage in Thailand sowie mit der Errichtung eines Faserzellstoffwerks in Brasilien befasst. Die Projektleitung und das Risikomanagement der Projekte sowie die Eingrenzung der COVID-19-Auswirkungen standen hierbei im Vordergrund.
Weitere Informationen über die Zusammensetzung und Arbeitsweise des Aufsichtsrates und seine Vergütung sind dem Corporate Governance Bericht bzw. dem Vergütungsbericht der Lenzing Aktiengesellschaft zu entnehmen.
Prüfung des Jahresabschlusses samt Lagebericht, des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichtes
Die KPMG Austria GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Linz, hat als Abschlussprüfer den Jahresabschluss samt Lagebericht der Lenzing AG sowie den Konzernabschluss und Konzernlagebericht der Lenzing Gruppe inklusive der nichtfinanziellen Erklärung und die nach § 245a UGB geforderten Angaben zum 31. Dezember 2021 geprüft. Der Abschlussprüfer hat den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Der Corporate Governance Bericht wurde von PwC Oberösterreich Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, Linz, evaluiert. Es wurde festgestellt, dass die abgegebene Erklärung der Lenzing AG zur Einhaltung des Corporate Governance Kodex (Jänner 2021) den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates hat sich intensiv mit dem Jahres- und Konzernabschluss, dem Lagebericht und dem Konzernlagebericht, dem Vorschlag des Vorstandes über die Verwendung des Bilanzgewinns sowie dem Corporate Governance Bericht befasst und die Ergebnisse der Abschlussprüfung eingehend mit dem Abschlussprüfer erörtert. Aufgrund der eigenen Prüfung hat sich der Prüfungsausschuss den Ergebnissen der Prüfung des Abschlussprüfers angeschlossen. Hierüber hat der Prüfungsausschuss dem Aufsichtsrat pflichtgemäß Bericht erstattet und diesem zudem empfohlen, der Hauptversammlung vorzuschlagen, als Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2022 die KPMG Austria GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft zu bestellen. Der Aufsichtsrat erklärt sich nach eigener Erörterung mit dem erstatteten Lagebericht und dem Corporate Governance Bericht einverstanden und billigt den Jahresabschluss 2021, der damit gemäß § 96 Absatz 4 AktG als festgestellt gilt. Der Aufsichtsrat erklärt sich weiters mit dem gemäß § 244 UGB in Verbindung mit § 245a UGB aufgestellten Konzernabschluss und dem Konzernlagebericht einverstanden. Der Aufsichtsrat berichtet gemäß § 96 Abs. 1 und 2 AktG, dass ein gesonderter nichtfinanzieller Bericht (Nachhaltigkeitsbericht) erstellt wurde und dieser geprüft wurde. Der Aufsichtsrat schließt sich dem Vorschlag des Vorstandes über die Verwendung des Bilanzgewinns an. Der Aufsichtsrat folgt zudem der Empfehlung des Prüfungsausschusses und wird der 78. ordentlichen Hauptversammlung vorschlagen, die KPMG Austria GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft zum Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2022 zu bestellen. Interessenskonflikte von Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern, über die die Hauptversammlung zu informieren wäre, sind dem Aufsichtsrat gegenüber im Berichtszeitraum nicht offengelegt worden.
Der Aufsichtsrat spricht dem Vorstand sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Lenzing Aktiengesellschaft Dank und Anerkennung für ihr hohes Engagement aus. Durch ihren persönlichen Einsatz konnte die Lenzing Aktiengesellschaft die durch COVID-19 verursachten besonderen Herausforderungen bewältigen und die sCore TEN Strategie weiter mit unverminderter Kraft umsetzen. Ein besonderer Dank gilt auch den Kunden, den Aktionärinnen und Aktionären sowie den Lieferanten und Geschäftspartnern von Lenzing für das entgegengebrachte Vertrauen und den Zusammenhalt. Danke!
Wien, 09. März 2022
Dipl.-Bw. Peter Edelmann
Vorsitzender des Aufsichtsrats