Managementansatz
Wesentliches Thema: Nachhaltige Materialien und Lebenszyklusanalysen (LCA)
Bedeutung für Lenzing
- Grundlage zur Bewertung der ökologischen Leistung und zur Untermauerung der Umwelt-Claims von Produkten
- Großes Interesse der Öffentlichkeit und von Stakeholdern an nachhaltigen Materialien und Produkten
- Eine Grundvoraussetzung für den Aufbau von Vertrauen und langfristigen Beziehungen ist Transparenz
- Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven, Erkennen globaler Trends und Minimierung von Risiken
Chancen
- Stärkung der Marktposition für nachhaltige Net Benefit-Produkte und Spezialfasern
- Darstellung der Nachhaltigkeitsvorteile der Lenzing Produkte
- Mitgestaltung künftiger Standards für umweltbezogene Kommunikation (Umweltbelastung von Produkten, Regeln für Produktkategorien usw.)
- Kompetenzgewinn beim Denken in Lebenszyklen, um die nachhaltige Entwicklung proaktiv unter Beweis zu stellen
- Unterstützung der bestehenden und künftigen Kunden beim Erreichen ihrer Nachhaltigkeitsziele
Risiken
- „Greenhushing“: Das Unternehmen produziert zwar nachhaltige Materialien/Produkte, ist aber nicht imstande, dies zu kommunizieren
- Sinkende Reputation durch Intransparenz
- Zunehmender Wettbewerb und Verlust der Führungsrolle
- Potenzielle Risiken in den Bereichen Regulierung, Technologie, Markt und Unternehmensreputation
Leitsätze
- sCore TEN-Strategie – Kundennähe
- Partnerschaften für systemischen Wandel im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie „Naturally positive“
- Policy für Nachhaltigkeit
- Lenzing Policy für Sicherheit, Gesundheit und Umwelt
- Lenzing Umweltstandard
- Policy für Holz und Zellstoff
- Branding-Strategie
- Higg FEM
Due Diligence-Prozesse und (laufende) Maßnahmen
- LCA-Update in Kooperation mit unabhängigem Dritten
- Anpassung an den Material Sustainability Index (MSI) der Sustainable Apparel Coalition (SAC)
Ziele
- Bekenntnis zu systemischen Ansätzen durch Denken in Lebenszyklen
- Einbeziehung von Lebenszyklusanalysen bei der unternehmerischen Entscheidungsfindung
- Umsetzung der Vision, nachhaltige Fasern für den weltweit steigenden Bedarf zur Verfügung zu stellen
Erfolge/Aktivitäten im Berichtsjahr
- Abschluss des LCA-Updates des Standardfaser- und Spezialfaserportfolios
- Einführung von Faserprodukten mit niedrigem CO2-Fußabdruck mit entsprechendem Ausgleich der verbleibenden Emissionen
- Verbesserungen in ESG-Rankings wie zum Beispiel MSCI, EcoVadis
- Strategische Wachstumsprojekte in Brasilien und Thailand voll auf Kurs
- Einstufung der Lenzing Fasern im Preferred Fiber Report von Textile Exchange als „Bevorzugte Fasern“
- Beitrag zum Corporate Fibers & Materials Benchmark Program (CFMB) von Textile Exchange und zum Biodiversity Benchmark
- Ausfüllen des Fragebogens MMCF Producer Transparency Questionnaire von Textile Exchange, um Informationen über die Nachhaltigkeitsleistung auf Konzernebene und auf Ebene der Produktionsstätten zu erhalten
- Lenzing Beitrag zu führenden Multi-Stakeholder-Initiativen
- Breites Spektrum an externen Zertifizierungen
Verantwortlichkeiten
- VP Global Nonwoven Business
- VP Global Textile Business
- VP Global Purchasing
Unterstützende Funktionen
- Corporate Sustainability
- Global QESH
- Research & Development
Nachhaltigkeit dient als Leitprinzip für Innovation und Produktentwicklung. Jede Prozess-, Produkt- oder Applikationsinnovation wird von Anfang an in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit bewertet. Bei Lenzing treibt nachhaltiges Denken die Innovationen voran. Zu den wichtigsten Gesichtspunkten gehören die Lebenszyklusperspektive und der Net Benefit-Ansatz entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Umgesetzt werden sie durch die von Lenzing angewandten Projektmanagementinstrumente.
Das Innovationsportfolio von Lenzing thematisiert die wichtigsten Fragen der Zukunft. Nachhaltige Innovationen und proaktive Partnerschaften bilden die Grundlage für die strategischen Bemühungen, die Wertschöpfungskette bei Lenzing „grüner“ zu gestalten. Die Nachhaltigkeitsziele für Luftemissionen, Wasseremissionen, Umweltverschmutzung, Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft sind die Eckpfeiler für das verantwortungsvolle unternehmerische Handeln von Lenzing und wirken als Innovationsmotor.
„Green Frontrunner“: Neue Technologien für nachhaltiges Wachstum
Mit dem neuen Programm „Green Frontrunner“ unterstützt die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) österreichische Unternehmen, um ihre Technologieführerschaft im internationalen Kontext zu stärken. Das Programm konzentriert sich nicht nur auf den Ausbau der Technologie- und Innovationsführerschaft, sondern legt auch einen starken Schwerpunkt auf einen aktiven Beitrag zum Klima- und Umweltschutz. Da Lenzing mehrere Aktivitäten (wie oben beschrieben) durchführt, die perfekt in den Rahmen dieses Programmes passen, wurde ein Projektvorschlag ausgearbeitet und eingereicht. Diese Arbeit wurde auch dazu genutzt, die laufenden Aktivitäten zu strukturieren und den interdisziplinären Ansatz zu verstärken.
Lenzing ist eines der wenigen Unternehmen, das die heiß umkämpfte und begehrte „Green Frontrunner“-Förderung für ein Projekt erhalten hat. Unter dem Titel „Green Frontrunner – neue Technologien für nachhaltiges Wachstum“ bündelt das Projekt mehrere Technologiethemen im Zusammenhang mit der Reduzierung von Emissionen in der Zellstoff- und Faserproduktion. Das Projekt wird einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung des Ziels von Lenzing leisten, bis 2050 CO2-neutral zu sein und gleichzeitig die Produktion auszubauen. Es werden Technologien mit unterschiedlichem Reifegrad untersucht, von denen einige relativ schnell umgesetzt werden können, während andere langfristig neue Möglichkeiten bieten.
Ein Beispiel für zukünftige Technologielösungen, die im Rahmen des Projektes behandelt werden sollen, ist die Kohlenstoffabscheidung und -nutzung, d.h. die Nutzung von CO2 als Baustein für (Grund-)Chemikalien. Entsprechende Möglichkeiten zur CO2-Reduzierung sollen im Rahmen des Projektes evaluiert werden.
Die nachhaltigen Produktionsprozesse (und die F&E-Infrastruktur) bilden die Grundlage für die Entwicklung neuer Fasern, die sowohl nachhaltig als auch leistungsstark sind. Diese Fasern dienen als Rohmaterial für die Textil- und Vliesstoffkette und werden häufig gemeinsam mit Partnern aus der Wertschöpfungskette oder anderen Stakeholdern entwickelt. Da neue Fasern meist auf spezielle Anwendungsbereiche zugeschnitten sind, geht dies Hand in Hand mit der Entwicklung der jeweiligen Anwendungen.
Holz und Orangen: Eine fruchtbare Kombination
Um nachhaltige Innovationen zu fördern, kooperiert Lenzing auch mit anderen Partnern in der Wertschöpfungskette, um die Entwicklungszeit zu verkürzen. Ein Beispiel ist das italienische Unternehmen Orange Fiber, das ein Verfahren zur Herstellung von Faserzellstoff aus Zitrusfruchtnebenprodukten patentiert hat. Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, Abfällen wie Orangenschalen neues Leben einzuhauchen und mehr Transparenz in der Textil- und Modeindustrie zu schaffen.
Nach intensiver Entwicklungsarbeit wurde eine erste Charge von Spezialfasern mit einem geringen Anteil von orangenbasiertem Faserzellstoff in der Pilotanlage in Lenzing erfolgreich produziert. Die neue Faser wurde zusammen mit Orange Fiber im Juli 2021 vorgestellt. Auf Basis der gewonnenen Fasern wurde eine Stoffkollektion entwickelt, die Orange Fiber auf den Markt bringen wird. Weitere Versuche zur Erhöhung des Anteiles an orangenbasiertem Faserzellstoff sind im Gange. Die Einführung der TENCEL™ Limited Edition unterstreicht die Vorreiterrolle von Lenzing bei äußerst nachhaltigen Produktionsprozessen und bei der Markteinführung nachhaltiger Innovationen gemeinsam mit innovativen Partnern wie Orange Fiber.
Hydrophobe Cellulosefasern für nachhaltige Vliesstoffe
Die Entwicklung einer hydrophoben Lyocellfaser erweitert das Faserportfolio von Lenzing und ermöglicht den Ersatz von synthetischen erdölbasierten Fasern durch eine biologisch abbaubare Cellulosefaser und bietet damit eine Alternative zu herkömmlichen synthetischen Fasern im Rahmen der SUPD (Single-Use Plastics Directive) der EU. Darüber hinaus weisen die Cellulosefasern eine verbesserte Weichheit auf und sind daher für künftige Produktentwicklungen in Anwendungen mit Hautkontakt, z.B. Hygieneprodukte oder Tücher, von Vorteil. Darüber hinaus führt das hydrophobe Verhalten der Cellulosefaser zu einem anderen Verhalten gegenüber Lotionen, was eine Anpassung der Lotionsmengen und -rezepturen ermöglicht. So werden die Möglichkeiten der Vliesstoffhersteller erweitert, insbesondere bei der Suche nach hundertprozentigen Celluloseoptionen.
Die Umstellung von konventionellen Tuchmischungen mit bis zu 80 Prozent synthetischen Fasern (für das Carded-Spunlace-Verfahren) auf 100 Prozent Cellulosefasern führt zu einigen Veränderungen in der Tuchleistung. Diese müssen angegangen werden, um den Übergang zu 100 Prozent cellulosehaltigen Tüchern mit der erforderlichen (und gewohnten) Produktleistung erfolgreich zu bewältigen. In diesem Bereich konzentrierte sich die Entwicklungsarbeit auf das Erreichen einer ausreichenden Festigkeit und Opazität sowie auf Weichheit und Rohdichte.
Zu 100 Prozent aus Cellulosefasern hergestellte, spülbare Tücher
Bereits seit Jahren finden spülbare Tücher in verschiedenen Bereichen Anwendung. Die SUPD erhöht den Bedarf an hundertprozentig cellulosehaltigen Tüchern mit ausreichender Festigkeit und an spülbaren Produkten für eine sichere und bequeme Entsorgung. Da die Menge an spülbaren Tüchern im Laufe der Jahre zunimmt, wird auch die Definition der Spülbarkeit immer strenger. Das ist vor allem auf den Druck der Abwasseraufbereitungsverbände weltweit zurückzuführen. Daher hat Lenzing an einem grundlegenden Verständnis der Fasereigenschaften und der Leistung des Endproduktes gearbeitet. Auf Basis dieser Arbeit hat Lenzing als erster (holzbasierter) Faserhersteller die Fine-2-Flush-Zertifizierung der WRC und der IWSFG erhalten. Das zeigt, dass Lyocellfasern ein geeigneter Inhaltsstoff für spülbare Tücher sind.
Neben spülbarem Material wurden weitere Entwicklungen an hochfesten Nassvliesprodukten vorgenommen und den Kunden vorgestellt. Da die Nassvliestechnologie (Wetlaid-Technologie) den Zugang zu 100 Prozent Cellulosefasern unter Verwendung eines großen Anteiles an Faserzellstoff ermöglicht, ist das Interesse an Tüchern, die auf dieser Technologie basieren, im Laufe der Zeit gestiegen. Die Entwicklungsarbeit von Lenzing zur Optimierung von Festigkeit und Produktivität stößt bei den Kunden auf großes Interesse.
LENZING™ Web Technology
Täglich landen Millionen Hygieneprodukte und Tücher weltweit im Müll und Abwasser. Meist bestehen sie bis zu 80 Prozent aus Polyester oder anderen fossilen, nicht biologisch abbaubaren Materialien. Die LENZING™ Web Technology ist eine patentierte Technologie, die von Lenzing entwickelt wurde, um eine biologisch abbaubare und kompostierbare Alternative zu bieten: Die LENZING™ Web Technology ist ein Direktspinnverfahren, bei dem Filamente direkt in einen Vliesstoff integriert werden. Es ermöglicht eine breitere Einstellung des Filamentdurchmessers und ein geringeres Flächengewicht der Gewebe im Vergleich zu herkömmlichen Vliesstofftechnologien. Gemeinsam bilden diese Vorteile eine neue Technologieplattform, die als Basis dient für eine breite Produktpalette mit enormer Vielfalt an Oberflächenbeschaffenheiten und einer überragenden Formstabilität im Vergleich zu den Eigenschaften, die mit herkömmlichen Vliesstofftechnologien erzielt werden können.
Das Projektteam konzentriert sich ganz darauf, die Technologie und die zugehörigen Produkte zur Marktreife zu bringen. Gemeinsam mit Partnern aus dem Vliesstoffmarkt werden vollständig biologisch abbaubare Produkte und Anwendungen entwickelt und die Pilotanlage am Standort Lenzing für erste kommerzielle Mengen für Testmärkte aufgerüstet. Der hochinnovative Charakter dieser Entwicklung wurde 2020 durch die Auszeichnung mit dem österreichischen Staatspreis für Innovation gewürdigt. Dies ist die höchste Auszeichnung der Republik Österreich für ein österreichisches Unternehmen und seine Mitarbeiter:innen, die durch ihre innovative Problemlösungskompetenz wesentlich zur nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung des Landes beitragen.