Weltwirtschaft1
Nach letzten Berechnungen des Internationalen Währungsfonds wuchs die Weltwirtschaft im Jahr 2023 um 3,1 Prozent. Dies ist, mit Ausnahme der Pandemie, die niedrigste jährliche Wachstumsrate seit der globalen Finanzkrise. Während die direkten Auswirkungen der Pandemie in den Hintergrund traten, prägte eine Vielzahl anderer Herausforderungen das vergangene Jahr: Der Krieg in der Ukraine und die Eskalation im Gazastreifen bestimmten das geopolitische Umfeld. Spannungen um Taiwan verstärkten sich und Lieferketten wurden durch Rebellenangriffe im Roten Meer gestört. Das Wirtschaftswachstum wurde durch hohe Inflation und steigende Leitzinsen gebremst, viele Konsument:innen hatten Schwierigkeiten mit ihrem Einkommen die erhöhten Kosten zu bestreiten. Das Verbrauchervertrauen erholte sich im Vergleich zum Vorjahr leicht, blieb aber weiter unter den langjährigen Mittelwerten. Vor allem für China, einem der größten Textilmärkte, war von einer deutlicheren Erholung nach dem Ende der Covid-Beschränkungen ausgegangen worden. Aber auch in Europa war die wirtschaftliche Situation herausfordernd und einige Länder rutschten in eine Rezession. Für das Jahr 2024 geht der IWF ebenfalls von einem Wachstum von 3,1 Prozent aus.
Auch in der Textil- und Bekleidungsindustrie blieb die lange erwartete Erholung von Nachfrage und Preisen weitgehend aus. Die Zufriedenheit mit der Geschäftslage nahm im zweiten Halbjahr 2023 laut einer weltweiten Umfrage der International Textile Manufacturers Federation2 entgegen der Erwartungen weiter ab und erreichte im November 2023 einen neuen Tiefpunkt. Im Jänner 2024 war eine leichte Verbesserung der Geschäftslage zu beobachten.
Weltfasermarkt3
Faserproduktion leicht gestiegen
Nach vorläufigen Berechnungen lagen die weltweiten Einzelhandelsumsätze mit Bekleidung im Jahr 2023 – bereinigt um Preiseffekte – um bis zu 5 Prozent über dem Vorjahr. Während der Absatz in den USA und Europa weitgehend stagnierte, trug China mit einem Plus von 12 Prozent, getrieben von der lokalen Nachfrage, stark zum weltweiten Umsatzwachstum bei (bedingt durch den aufgrund der strikten Covid-Maßnahmen sehr niedrigen Vorjahreswert).
Die Lagerstände der Bekleidungseinzelhändler konnten teilweise durch verkaufsfördernde Maßnahmen vor allem im Weihnachtsgeschäft reduziert werden, blieben aber immer noch auf einem im langjährigen Vergleich erhöhten Niveau. Die Einzelhändler zeigten sich trotz gesunkener Lagerstände zurückhaltend mit Bestellungen. Die Lagerbestände der vorgelagerten Produktionsstufen entwickelten sich ebenfalls größtenteils rückläufig.
Bei Heimtextilien litt die Nachfrage 2023 weiterhin durch die in der Covid-Pandemie vorgezogenen Investitionen; private Haushalte hatten während der Lockdowns intensiv in die Ausstattung des eigenen Wohnbereichs investiert.
Auch die üblicherweise krisenresistenteren Einzelhandelabsätze von Hygieneprodukten in der Vliesstoffindustrie waren unter Druck. Der Mengenabsatz großer Marken war teils rückläufig, während preisgünstigere Handelsmarken stärker nachgefragt wurden.
Die weltweite Faserproduktion stieg 2023 entsprechend erster Schätzungen leicht um 1 Prozent auf 120 Mio. Tonnen. Die Baumwollproduktion ging nach vorläufigen Schätzungen in der Saison 2022/2023 um 2 Prozent auf 24,8 Mio. Tonnen zurück. Dies ist vor allem auf einen Rückgang der Anbauflächen zulasten von Nahrungspflanzen zurückzuführen. Die Nachfrage sank um 8 Prozent auf 23,7 Mio. Tonnen. Die Baumwollbestände stiegen infolgedessen auf 21,2 Mio. Tonnen, dem höchsten absoluten Stand seit der Saison 2014/2015 und auch im Vergleich zum Verbrauch (engl. stocks-to-use ratio) weiter über dem langjährigen Durchschnitt.
Die Produktion von regenerierten Cellulosefasern wie Lyocell-, Modal- und Viscosefasern stieg nach ersten Schätzungen um 3 Prozent auf 7,5 Mio. Tonnen. Das Wachstum war fast ausschließlich auf die stark gestiegene weltweite Produktion von Lyocellfasern zurückzuführen.
Bei Fasern aus synthetischen Polymeren betrug die Produktionsmenge nach ersten Schätzungen rund 81 Mio. Tonnen und lag damit 1 Prozent über dem Vorjahreswert.
Stapelfaserpreise weiter unter Druck
Die Preisentwicklung an den Märkten für Stapelfasern war 2023 weitaus weniger volatil als im Jahr davor. Die Preise bewegten sich insgesamt in einem viel engeren Band, blieben aber weiterhin unter Druck.
Die Baumwollpreise entwickelten sich im Verlauf des Jahres weitaus weniger volatil als 2022. Der Cotlook A-Index erreichte bereits Ende Jänner – getrieben von hohen Markterwartungen nach der Öffnung in China – seinen Jahreshöchststand von 102 US-Cent pro Pfund. Die Baumwollsaison 2022/2023 endete mit einer leichten Zunahme der Lagerbestände, was sich negativ auf die Preisentwicklung auswirkte. Auf Jahressicht gaben die Baumwollpreise um 8 Prozent auf 91 US-Cent pro Pfund nach.
Der Preis für Polyester-Stapelfasern in China legte im Jahresverlauf um 2 Prozent auf RMB 7.325 pro Tonne zu. Zwischendurch hatte er Mitte September einen Höchststand von RMB 7.970 pro Tonne erreicht. Die Preissteigerung war vor allem getrieben durch höhere Kosten für die Zwischenprodukte PTA (Terephthalsäure) und MEG (Monoethylenglykol).
Auch die Viscosepreise in China bewegten sich 2023 in einem vergleichsweise engen Korridor. Im Verlauf des Jahres sanken die Preise um 2 Prozent auf RMB 12.600 pro Tonne. Den Höchstwert von RMB 13.400 erreichten sie Ende September durch gestiegene Chemikalienkosten und eine saisonal etwas höhere Nachfrage.
Die Preise für holzbasierte Spezialfasern entwickelten sich aufgrund der schwächeren Nachfrage, insbesondere von Marken und Einzelhändlern, und der zusätzlichen Kapazitäten am Markt leicht rückläufig. Das Preispremium der Marken TENCEL™, LENZING™ ECOVERO™ und VEOCEL™ erwies sich als vergleichsweise widerstandsfähig.
Der chinesische Importpreis für Faserzellstoff, dem Schlüsselrohstoff für die Produktion von regenerierten Cellulosefasern, lag per Ende Dezember mit USD 880 pro Tonne 2 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Die chinesischen Preise für Papierzellstoff brachen von USD 810 pro Tonne zu Jahresbeginn auf USD 475 pro Tonne Mitte Mai stark ein. Faserzellstoff war von diesem Rückgang jedoch kaum betroffen, da ein durch Produktionsausfälle eingeschränktes Angebot auf eine leicht gestiegene Nachfrage traf. Im weiteren Verlauf des Jahres näherten sich die Preise aber wieder an und Papierzellstoff schloss zum Jahresende mit USD 653 pro Tonne.
1 Quelle: IWF, World Economic Outlook, Jänner 2024
2 Quelle: ITMF, 24th Global Textile Industry Survey, Jänner 2024
3 Sämtliche Produktionszahlen in diesem Kapitel wurden gegenüber den im Geschäftsbericht 2022 angeführten ersten Schätzungen aktualisiert. Quellen: The Fiber Year, ICAC, Cotton Outlook, CCFG, FAO