Alternative Rohstoffquellen für die Faserproduktion
Jedes pflanzliche Material dient potenziell als Cellulosequelle zur Herstellung von Faserzellstoff für die Faserproduktion. Lenzing hat umfangreiche Untersuchungen zu vielen verschiedenen alternativen, nicht-holzbasierten Cellulosequellen durchgeführt. In ihrer Forschung identifiziert Lenzing vielversprechende neue Cellulosequellen und prüft sorgfältig deren Verfügbarkeit, technische Machbarkeit und wirtschaftliche Skalierbarkeit sowie die ökologischen Gesamtauswirkungen im Hinblick auf Klimaziele und die zirkulären Ansätze von Lenzing.
Es wurden Studien zu Rohstoffquellen erstellt, etwa zu Einjahrespflanzen wie Hanf, Stroh und Bambus. Einjahrespflanzen weisen in der Regel im Vergleich zu Bäumen eine höhere Wachstumsrate pro Hektar auf. Zusätzlich haben bestimmte Arten einen höheren Cellulosegehalt. Einige davon sind bereits in großen Mengen verfügbar, vor allem in Form von landwirtschaftlichen Abfällen. Damit kann ein attraktiver Celluloseertrag pro Hektar erzielt werden; die Vorteile gegenüber Holz, der traditionellen Cellulosequelle, müssen jedoch von Fall zu Fall beurteilt werden.
Ausgehend von den aktuellen Daten ist hochskalierte Produktion von Cellulose immer noch am besten mit Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern möglich. Der Prozess zur Gewinnung von Cellulose aus Holz ist gut etabliert und im Hinblick auf Energie, Chemikalien und Prozessschritte optimiert. Nebenprodukte können bei der Zellstoffherstellung extrahiert werden und überschüssiges Material wird zur Wärme- und Energieerzeugung verbrannt, was nicht zwingend auch für die alternativen Zellstoffquellen gilt.
Als Innovationsunternehmen hat Lenzing den Anspruch, neue Lösungen zu finden und über den Tellerrand hinauszuschauen. In der Vergangenheit wurden bereits limitierte Auflagen von Fasern mit alternativen Zellstoffquellen wie beispielsweise Orangenresten oder Hanf erfolgreich hergestellt. Im Rahmen der Innovationsallianz INGRAIN läuft mit der RWTH Aachen und anderen Partnern ein erstes gemeinsames Entwicklungsprojekt. Darüber hinaus steht Lenzing im Dialog mit Herstellern von Zellstoff aus alternativen Cellulosequellen und evaluiert die Eignung dieser Zellstoffe. Akademische Zusammenarbeiten zielen auf noch exotischere Cellulosequellen ab, z. B. Makrophyten (Wasserpflanzen, die in oder an Gewässern wachsen), wobei sich die Technologie noch auf einem sehr niedrigen Stand befindet.
Um in Zukunft andere neue Quellen für nicht-holzbasierte Cellulose zu erschließen, bedarf es einer gezielten Erforschung der ökologischen und wirtschaftlichen Aspekte für die industrielle Produktion sowie einer verstärkten Zusammenarbeit. Es gilt, eine Reihe von Herausforderungen zu bewältigen, die im Folgenden näher beschrieben werden.
Verfügbarkeit
Alternativen wie Bambus, Stroh und verschiedene Einjahrespflanzen stehen derzeit noch nicht in der für industriellen Bedarf erforderlichen Qualität und Menge zur Verfügung. Viele Einjahrespflanzen sind nur in der Erntezeit verfügbar und lassen sich schwer für eine ganzjährige Nutzung lagern. Trotz spezifischer Vorteile und hohem Jahreszuwachs pro Hektar ist das Material sehr sperrig und aufwändig zu transportieren.
Ökologische Nachhaltigkeit
Die Umwandlung von Wäldern in landwirtschaftliche Nutzflächen für Einjahrespflanzen ist ein weltweites Phänomen und erhöht den Druck auf alle Arten von Wäldern.
Ein weiterer wichtiger Faktor für die Nachhaltigkeitsleistung von Einjahrespflanzen ist die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzflächen. Hochproduktive Flächen benötigen deutlich mehr Düngemittel und Pestizide als Wälder und verursachen daher andere Umweltprobleme. So gilt beispielsweise das Umweltprofil einer großflächigen Bambusplantage als insgesamt nicht zufriedenstellend.
Wichtige Faktoren für die Umweltauswirkungen des Prozesses sind Energieverbrauch und bei der Zellstoffproduktion eingesetzte Prozesschemikalien. Sie hängen stark vom jeweiligen Verfahren ab und variieren von einer zur anderen Einjahrespflanze erheblich.
Technische Machbarkeit
Der Bioraffinerieprozess von Lenzing ist stark auf bestimmte Holzarten angepasst, die als Rohstoff dienen. Das sorgt für eine gleichbleibend hohe Qualität und Effizienz und liefert Bioenergie als Nebenprodukt. Bei nicht-holzbasierten Ausgangsmaterialien entsteht eindeutig weniger Bioenergie, sodass zusätzliche Energiequellen herangezogen werden müssen, wodurch der Produktionsprozess mit höheren Emissionen verbunden ist.
Einjährige Pflanzen enthalten mehr mineralische Bestandteile und organische Substanzen, die entfernt werden müssen, um hochwertigen Zellstoff zu erzeugen. Dieser Reinigungsprozess erfordert in der Regel den Einsatz aggressiver Chemikalien und verursacht Abfallprobleme. Es ist eine große Herausforderung, neue Technologien für diese Materialien zu entwickeln und dabei die Produktqualität und die ökologische Sicherheit zu erhalten. Bei holzigen Pflanzen wie Bäumen hingegen sind diese Bestandteile hauptsächlich in der Rinde angereichert, die in der ersten Stufe des Prozesses leicht entfernt wird. Weitere Informationen finden Sie im Fokuspapier „Wood and pulp“.